16. April 2025 Arbeitsverweigerer – Ein Aussteiger berichtet

Mittwoch 16.04, 09:17
Wetter: Böhig mit Sonne und Wind aus Nordwest 4-5
Zurückgelegte Seemeilen: 13280nm
Kurs: Richtung Westen auf direktem Wege 90°
Ziel: Noch nicht sicher, wir hoffen auf Niederländische Insel
Geschwindigkeit: 7.4kn
Stimmung: Freudig im Handover
Maritimes Leben: Wal und Delfine ausm Klüvernetz
 

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Ein Aussteiger berichtet

Arbeitsverweigerer:
Der/Die/Das sich der verpflichtenden und gemeinnützigen Arbeit verweigernder Mensch.

Arbeitsverweigerer, ein im Sprachgebrauch unserer Reise sehr verfestigter Begriff. Eingeführt von Selena unserer damaligen 2ten Offizierin, auf einer nicht gerade von Motivation und Elan sprühender Ankerwache. Ich erinnere mich nur noch vage (es ist erst 6 Monate her, aber fühlt sich schon Jahre entfernt an) aber es wird vermutlich darum gegangen sein, wer während einer Ankerwache auf eine Safety Round gehen „durfte“.

Safety Round = in fast jede Ecke des Bootes kriechen, um zu gucken ob alles schön, sicher und feuerfrei ist. Eine also eher unbeliebtere Aufgabe. Als ich also nun mein riesiges Interesse an dieser Aufgabe kundtat und mich darüber echauffierte, dass doch jemand anderes diese freudeerfüllende Aufgabe übernehmen könnte, berichtete Lennart der natürlich nichts verstehenden und auf eine Übersetzung wartenden Selena, in sehr knappen Worten meine Beschwerde: „He‘s just a Arbeitersverweigerer.“

Idle-Hands beim Einschoten des Großsegels

Idle-Hands beim Einschoten des Großsegels © Vincent

Segelfalten auf Curaçao

Segelfalten auf Curaçao © Felix

Wie das Wort ein so fester Bestandteil unserer täglichen Kommunikation werden konnte, ist mir bis heute ein Wunder und vielleicht der für unsere Crew sehr schweren und damit meist unterhaltsame Aussprache zu verdanken. Jetzt wo ihr die Entstehung dieses hier schon als „legendär“ eingestuften Wortes kennt mache ich es mir zur Aufgabe, euch die besten Tipps, Tricks und Storys von 5 harten Monaten als most wanted und feard, Nr.1 Arbeitsverweigerer:

Der Dorm-Trick: Fangen wir mit den Basics an, du musst cleanen und wirst von einem wütenden Cleaningmananger wahrlich gejagt. Du hast ein paar Orte die dich vor diesem wild geworden Monster retten können. Deine Koje, die eines Freundes oder wenn gerade eine frei ist eine random Toilette. Je nach Hartnäckigkeit eines Managers (Arthhur = sehr hartnäckig, Benni = nicht sehr hartnäckig) bist du aber selbst an solchen mysteriösen Orten nicht immer sicher und wirst zu deiner Responsibility geschleift.

Der Idle-Hands-Call: Ohh nein, eine Person mit Harness betritt die Student Mess und es ist noch keine Essenszeit, ein IDLE-HANDS. Ein von den meisten sehr gefürchtetes Event was random tagsüber auftreten kann. Aber auch hier weiß der (ehemalige) Experte natürlich Rat und bietet sogar mehrere Lösungsansätze an. Die angenehmere Variante, du erkennst den Idle-Hand-Call rechtzeitig und kannst dich so noch frühzeitig in den Dorm retten und schlafend stellen oder die Variante für die eher Abgelenkteren von uns, unser neuer bester Freund: Ihr könnt es euch denken, die Toilette. Denn niemand der gerade dort bereits schwer am Arbeiten ist, kann gleichzeitig das Main Sail hochziehen. Aber auch hier gilt wieder, je nach Hartnäckigkeit der Watch wird selbst auf den letzten Klogänger gewartet. - Sowas sollte verboten werden -

Safety Round auf Watch: Wie schon oben erläutert hat die Safety Round eh schon keinen so guten Ruf, das jetzt aber mit leichter Übelkeit, Müdigkeit und einen Gang in den Frontstore für die Fridge/ Freezer Temperaturen kombiniert, in welchem das Rolling einen x5 Bonus an Intensität erhält, sorgt für den absoluten Motivations Kracher. Aber wir Schüler⁎innen schaffen es natürlich aus allem eine gute Sache zu ziehen. So wurde die Länge einer Safety Round von durchschnittlich 5-10min auf knackige durchschnittliche 30-40min erhöht und vor allem der Feuer-Check in der Student Mess erhält mittlerweile deutlich mehr „Aufmerksamkeit“. Wer hart arbeitet darf sich auch mal eine Pause gönnen.

Emilia Z., Finja und Merle putzen die Stores © Vincent

Emilia Z., Finja und Merle putzen die Stores © Vincent

Galley Watch Stores hohlen: Das oben erklärte Prinzip lässt sich auch sehr gut auf die Aufgabe, das Essen aus den Stores zu hohlen, anwenden. Ich erinnere mich immer wieder gern an meine erste Galley mit Pancho zurück, wo wir (2 weitere Buben und ich) vom Start der Galley an (14 Uhr) bis 16 Uhr im Front Store gechillt haben und Pancho unsere etwas verspätete Rückkehr nur mit den Worten: „You took quiet long taking the Stores, please improve next time“ (Ihr habt sehr lange in den Stores gebraucht, bitte verbessert das) kommentierte. Wie soll es auch anders sein, hat Blue A das Essen damals trotzdem um Punkt 6 mit Sterne Niveau serviert (Es gab Nudeln mit Konserven-Tomatensoße).

Die Zusage ohne Folge: Sehr einfach und vielleicht auch selbsterklärend, aber trotzdem sehr effektiv um den Cleaning-Manager zur Weißglut zur treiben und seine Aufgabe einer anderen Person aufzuhetzen. (Shoutout an Caspar für das Teilen dieser Methode mit mir, danke dir Bro)

Eine meiner Lieblingsanekdoten zu diesem Thema handelt von einem Deep Clean. Bei den Deep Cleans gibt es die Regel, dass man bei anderen Responsibilitys helfen muss, nachdem man seine eigene abgeschlossen hat, eine Regel die Pantry, Dorm und Deckwash zu Hilfe kommt aber gemein gefährlich für Laundry and Lost & Found ist. Man muss sich nun meine Überraschung vorstellen, als ich in meinem Bett, hinter meinem Vorhang Joschi und Caspar finde, die sich entschuldigen hier zu liegen aber sagen, dass sie halt keine Vorhänge an ihren Betten haben und sich irgendwo vor den Cleaning-Leuten verstecken mussten.

Ein sehr valider Grund, welcher mich sofort überzeugt und so teilen wir uns für die nächsten 30min das Bett zu dritt, hören Depeche Mode zusammen und zittern, wenn wir die Stimme und die Schritte der Cleaning-Responsibles wahrnehmen. Ein erfolgreicher Tag.

Aber wie soll es auch anders sein, irgendwann wird von jedem die harte Schale des Arbeitsverweigerers durch die tiefe Verbindung der Gemeinschaft, Erfahrung und ein wachsendes Reife-, Stolz- und Pflichtgefühl abgespült und selbst die schlimmsten Tagediebe fangen an, jedes abgeschlossene Idle Hands, mit Liebe gekochte Essen und jede Runde Deckwash mit Stolz zu betrachten. (Das letzte war vielleicht übertrieben, Deckwash ist wirklich eine Erfindung des Teufels)

Meinung des Autors: So kann ich nun mit Stolz verkünden, dass das große und exemplarische Problem der Arbeitsverweigerer aus meiner Sicht gelöst ist und sich alle phänomenal weiterentwickelt haben. So wurde zum Beispiel mein Arbeitsverhalten anfangs als eher negativ aus den All-Staff (Crew + HSHS) Meetings und mittlerweile als sehr positiv hervorgehoben und mein Motivationswechsel erfüllt diese, um es in Anouschs Worten zu sagen, final mit Stolz.

Conrad
 

 

Liveticker:

  • Dienstag 15.04 Es hagelt bis ins Gehtnichtmehr. Mittlerweile fliegen die Hagelkörner schon durch die Studentmess und führen zu viel Freude und guter Laune.
  • Mittwoch 16.04 Auch das HSHS-Team hat seine Rollen wieder an die Schüler⁎innen abgegeben. Ab jetzt ist Emilia Z. wieder für eine Woche zuständig für den Blog. Martha ist Langangsplanungs-beauftragte, Kefi ist Vertrauensperson und kümmert sich um das safetykonzept, Finja ist für unsere Gesundheit da und Julia kümmert sich um die Finanzen. Das ganze Team wird von Laura und Julius als Projektleitung geleitet. Wir sind gespannt, was die Woche bringen mag.
  • Mittwoch 16.04 Auf der Bridge kämpfen unsere Kapitänin Merle und die Watch mit vielen Squals (dolle Böhen mit Regen) und manövrieren uns sicher Richtung Festland. Noch ist nicht sicher, ob wir einen Zwischenstopp in den Niederlanden machen, aber wir drücken fest die Daumen.

 

Grüße:

  • Emilia Z.: Happy Birthday Vivi. Ich denke an dich und freue mich dich bald wiederzusehen. Ganz liebe Grüße an meine Family. Ich bin jetzt wieder Blogmanager (✿◠‿◠)(✿◕‿◕✿)ฅʕ•̫͡•ʔฅ
  • Karo: Hallo zuhause, der Wind nimmt zu, das Heeling wird stärker und die Wellen höher. Auch wenn es wohl keine 12 Meter Wellen mehr werden, machts echt Spaß! Am 15. geht das zweite Handover los und ich freue mich dann wieder mit dem Team die Wachen zu übernehmen. Je nachdem wie die Planung der Crew ausfällt, kommen wir irgendwann um den 20. herum in den Niederlanden an, oder düsen gleich durch nach Helgoland. Lassen wir uns überraschen  Bin super gespannt aufs nach Hause kommen und freue mich auf euch <3
  • Hanni: Liebe Grüße an die Berliner, Opa Teterow und die Taucha Bagage! Hey Dirk, wir müssen dringend zusammen segeln gehen, zwar bin ich eine Niete im Trimmen, aber bei dir dauert sicher eine Trimming-round keine 1-4 Stunden haha. Und natürlich Grüße an Frauki. Ahhh, wir sehen uns einfach schon in zweieinhalb Wochen! Ich freu mich so! Hab euch lieb!
  • Rosalie: Herzlichen Glückwunsch nachträglich an Papa und Onkel Stefan. Ich hoffe ihr hattet beide einen schönen Geburtstag, ich freue mich schon euch bald wieder zu sehen!
  • Clara: Liebe Grüße an meine Oma und meinen Opa, hab euch lieb, freue mich auf euch, Bussiiiiiii