17. April 2024 Erstes Student Handover

Datum: 17.4.2024
Position: 50°45.703‘N  0°31.871‘O
Kurs: 66°
Bisher zurückgelegte Meilen: 14022,64 nm
Wetter: teilweise bewölkt, leichte Schauer und Sonnenschein
Temperatur: 12-15 °C · Wind: N 3-4

Gesetzte Segel: Flying, Outer, Inner, Vorstay, Mainstay, Main, Mizzen, Upper, Lower
Geschwindigkeit: 6.8 kn
Stimmung an Bord: vorfreudig auf den vorletzten Landstay und die letzten Tage zu segeln

----
 
Liebe Leserinnen und Leser,
endlich ist es so weit, oder sollte man lieber sagen: „Oh nein, es ist schon wieder vorbei“. Das erste Student Handover der 31. High Seas High School. Was es genau mit den Student-Handovers bei HighSeas auf sich hat, was passiert ist und welchen Herausforderungen wir uns stellen durften, berichte ich Euch heute.

Bei den Student-Handovers, die bisher bei den meisten High Seas Reisen nach den Azoren stattgefunden haben, übernehmen wir, als Schülerinnen und Schüler die Rollen unserer nautischen Gulden Leeuw Crew.

Zuerst einmal die „Regel“ für das Handover für alle in einfach.
Nach dem Schreiben unserer Bewerbung (Englisch) und einem Bewerbungsgespräch (Englisch) wurde uns allen 48 Stunden vor Beginn des Handovers gesagt, wer welche Rolle im Handover übernehmen wird. Auf insgesamt einer Seite konnte man sich für drei verschiedene Stellen bewerben. Alles, was mit Nautik und dem Schiffsstatus der Gulden Leeuw zu tun hat, haben wir also auch übernommen. Folglich wurden alle Stellen von Captain, Officer, Bosun, Deckhand, Engineer, Chef bis hin zum Doktor von uns für fünf Tage übernommen.

Natürlich waren wir während des Handovers nicht komplett allein an Bord. Neben uns standen rund um die Uhr die richtigen Gulden-Leeuw-Crewmembers. Damit wir nicht alles falsch machen, obwohl wir ja schon lange keine Rookies mehr sind, wurden wir nicht nur die letzten sechs Monate darauf vorbereitet, sondern gab es auch noch ein paar andere Stützen. Die sogenannten Handover-Objectives (auf Deutsch: Richtlinien) halfen uns ein wenig dabei, wichtige Entscheidungen zu treffen. Falls wir uns dann in manchen Sachen ganz unsicher waren, haben wir immer noch unsere Gulden-Leeuw-Crew, die jedem Student-Handover-Crewmitglied drei Fragen in 24 Stunden beantwortet hat.

Im Fall – und ja, das ist auch schon passiert – dass wir etwas vergessen und etwas gewaltig schiefgelaufen ist, ist die GL-Crew mit dem Wort „Safeguard“ eingeschritten. In diesen Fällen wurde das Schiff unter deren Kommando gesegelt und dann nach wenigen Minuten wieder zurück an uns übergeben.

Während des Handovers gab es natürlich einige Highlights, die es wert sind zu teilen. Ganz besonders spannend war der erste Tag des Planens, der 7. April. Hier wurden haufenweise neue Schedules, das Voyageplanning, die Stores und noch ganz viele andere Sachen geplant und vorbereitet.
Mein persönliches Highlight der Woche war der Erste Tag des Handovers, in dem uns dieses 70 Meter lange, 884 Tonnen schwere und 58 Personen geladene Tall Ship anvertraut wurde.

Die Schwierigkeit an diesem Tag lag darin, das Schiff vom ursprünglichen Pier zum kommerziellen Pier zu manövrieren und zusammen mit der Crew das Schiff mit Stores, also dem Essen für die nächsten Wochen und Diesel zu füllen. Das dabei Mooring Lines (Festmacherleinen sind ca. vier bis 7 cm dick und können über 60 Tonnen Gewicht halten) reißen können, war uns bewusst. Wenn auch mit sehr viel schweißtreibendem Manövrieren auf der Brücke und wortwörtlich großem hin und her an der Pier, konnten wir mit vollen Food Stores und Dieseltanks den Hafen von Horta, um 16:40 Uhr verlassen.

Proviantierung und Diesel tanken in Horta

Proviantierung und Diesel tanken in Horta © Peggy

SafetyDrill der Handovercrew

SafetyDrill der Handovercrew © Peggy

Dicht gefolgt kommt ein weiteres Highlight. Der von uns selbst geplante Drill. Hier wurde von unserem 1st Officer ein Szenario ausgedacht, in dem zuerst der Engine Room, aufgrund eines in Flammen stehenden Main Generators nicht zugänglich ist. Das Mustern aller Schülerinnen und Schüler wurde von uns durchgeführt und Firefighting haben wir mehr simuliert, als tatsächlich gemacht, weil es kein Feuer zu löschen gab. Weil das Feuer sich (in unserer Simulation) zu weit ausgebreitet hatte, mussten wir einen sogenannten Abandon Ship Drill durchführen, bei dem Rettungswesten ausgeteilt und Rettungsinseln zugewiesen werden.

Doch weil das gesamte Handover ein einziges Highlight war, würde es jeglichen Rahmen sprengen, von allen Highlights zu berichten.
Für uns als Schülerinnen und Schüler bedeutete dieses Handover so viel Verantwortung für etwas zu übernehmen, wie wir es bis jetzt in unserem Leben noch nicht gemacht haben. Für jede:n einzelne/n bedeutete es, persönliche Herausforderungen zu bewältigen. Sei es das benötigte Wissen für sich selbst und andere bereitzustellen, seinen Zeitplan für das Schiff anzupassen, persönliche Wohlfühlgrenzen hinter sich zu lassen und aus seinem Schatten springen, oder Entscheidungen zu treffen, die das gesamte Bordleben beeinflussen können.

Doch entscheidend ist am Ende, weil wir ja immer noch ein sogenanntes „Schulschiff“ sind, der Lerneffekt. Für meinen Teil kann ich ganz klar sagen, dass ich in den vergangenen fünf Tagen so viel gelernt habe, wie ich mir im Traum nicht hätte vorstellen können. Einige mögen jetzt denken, dass wir hierbei „nur“ segeln gelernt haben. Ganz im Gegenteil. Die Entscheidungen, die wir herleiten und gemeinsam treffen mussten, waren riesig. Das Verständnis, die Akzeptanz und der Respekt vor Hierarchie und Entscheidungsgewalt, den wir alle aufbringen mussten, war nicht mit dem zu vergleichen, wie wir bisher zusammen gearbeitet haben. Das Erfahren wo persönliche Grenzerfahrungen beginnen und Stresssituationen, die wir erleben real sind, war taff. All das, was wir alle zusammen im ersten Student Handover erfahren und erbracht haben, war unglaublich und mit nichts zu vergleichen, was wir bis her gemacht haben.

Bosun Kilian bei der Arbeit

Bosun Kilian bei der Arbeit © Peggy
Beitragsbild:  Handover auf der Brücke © Peggy


Leider endete das erste Student Handover der 31. HighSeas am 13. April um 8:00 Uhr. Fünf Tage sind herum, 950 Seemeilen wurden von uns zurückgelegt und das mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von neun Knoten. Wir alle wussten, dass wir bis zum äußersten gegangen sind und über uns selbst hinausgewachsen sind, um das zu erreichen. Mit einem weinenden und einem lachenden Auge, wie man so schön sagt, sind wir zusammen aus diesem Handover herausgegangen.
Weinend, weil es gerade erst so richtig angefangen hat, Spaß zu machen und man das Schiff nicht schon abgeben will. Mit einem lachenden Auge, weil auf der anderen Seite damit auch diese tonnenschwere Verantwortung von einem abfällt, die einen fast schon dazu zwingt Entscheidungen zu treffen und sich doch schon sehr nach „echtem“ Leben anfühlt.

Doch auch die Vorfreude schwingt in diesen Tagen mit. Nicht nur weil wir damit unseren Liebsten etwas nähergekommen sind, sondern auch weil das zweite Student Handover der 31. HighSeas direkt vor der Tür steht.

Wir alle sind gespannt, wie das werden wird, halten Euch da draußen weiter auf dem Laufenden. Ich bedanke mich fürs Lesen (bleibt dran, da kommt noch einer ) und wir alle freuen uns schon auf das große Wiedersehen.

Servus und bis bald,
Euer Leopold

Grüße:

  • Helena: Viele Grüße an Mama, Papa und Finchen.
  • Lotta: Liebe Grüße an Christian!
  • Mathilda: Grüße an meine Elten. Ich hab euch lieb <3
  • Leopold: Grüße an Mama, Papa und Max. Jetzt sind es wirklich nur noch ein paar wenige Tage. Ich freu mich wahnsinnig auf Euch. Ich war die letzten Tage ein bisschen krank. Habs jetzt aber trotzdem wieder geschafft mich aufzuraffen und diesen Blog zu schreiben. Hoffe der gefällt Euch. In dem Sinne Euch alles Gute und bis bald. Grüße auch an meine Schule. Grüße an Abt Barnabas, Herrn Hering und das ganze Kollegium. Ich freu mich darauf wieder nach Ettal zu kommen
  • Svenja: Heute Grüße ich Frau Müller. Mir geht es sehr sehr gut und die Reise war eine tolle Idee. Vielen Dank für Ihre Unterstützung. Ich hoffe es geht Ihnen Gut. In dem Zusammenhang Grüße ich auch Herr Keiser. Der Unterricht hier an Bord war ein ganz anderer, aber die Deutschbücher, die wir gelesen haben hätten Ihnen auch gefallen. Vor allem weil wir sie mit einer Kokosnuss in der Hand irgendwo in der Karibik lesen konnten.
  • Peggy: Grüße an all Angehörigen und die HSHS-Schüler:innen der 29. Reise. Das persönliche Highlight für mich auf jeder HSHS-Reise sind von Beginn an die Handovers. Mir laufen immer noch freudige Gänsehautschauer über den Rücken. Es ist fantastisch hier an Bord, die Jugendlichen so grandios im Team zusammen wirken und entscheiden zu sehen. Alle Familien können sehr stolz auf ihre Liebsten sein.