24. Mai 2023 Der taube Passagier
Ein Nachtrag zum 8. März 2023
Position: 29°43.016’N 15°03.555’W
Kurs: 205° · Geschwindigkeit: 6,2 Knoten
Wetter: 23.3°C · Wind 2 aus Nordwest (NW)
Seekranke Personen: 2
Stimmung an Bord: Morgen vier Meter Wellen yeay
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Es war einmal vor langer, langer Zeit in Kuba, eine Taube, die Manfred hieß. Manfred kam am 7. Februar 2007 zur Welt. Geboren wurde er im „Hospital de Habana“ welches sich, in der Nähe des Malecons, an der Küste von Havanna befindet. Von Klein auf wurde ihm alles Mögliche beigebracht. Ihm wurde gezeigt, wie man mehrere Zahlen zusammenrechnen kann, wie man richtig Tango tanzt und wie man deutsche Tourist*innen begrüßt. Das Begrüßen von Touristen ist in Kuba eine sehr begehrte aber auch sehr anspruchsvolle Kunst. Sein Vater Pubert war einer der besten in diesem Gebiet, weswegen Manfred einen sehr großen Vorteil gegenüber anderen hatte.
Man muss bei dieser Kunst darauf achten, dass die Tourist*innen sich wohl fühlen. Dies macht man am Besten, indem man fragt, woher sie kommen. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Nr. 1: Der/die Tourist*in ignoriert dich und versucht unauffällig so schnell wie möglich Distanz zwischen dich und ihn zu bringen. In diesem Fall solltest du ihm hinterherrufen, dass du den besten Pizzaladen in der Gegend kennst. Denn dann wird der Tourist auf der Stelle umdrehen und dich auf eine Pizza einladen.
Dann gibt es noch Nr. 2: Der/die Tourist*in antwortet mit „Alemania“, da dies das einzige Wort auf Spanisch ist, welches er sich für seinen Urlaub angeeignet hat. Auf Deutsch heißt es „Deutschland“. Wenn er das also antwortet, solltest du ihm ohne weiteres erzählen, dass dein Bruder in Deutschland lebt und dann eine Stadt aus den folgenden fünf nennen: Frankfurt, Düsseldorf, Köln, München, Hamburg. Aber dabei ist wichtig, dass es keine andere Stadt als eine von den fünfen ist, da der Tourist sich sonst unwohl fühlen könnte und einen Purzelbaum machen würde. Danach wird er eine sehr positive Reaktion zeigen, welche wirklich von Herzen kommt.
Wenn das erledigt ist, musst du ihm zeigen, welche Mühe du dir gemacht hast, um andere willkommen zu heißen, indem du deine Deutschskills zeigst. Dies geht am besten, wenn du „Alles gut?“ oder „Alles Palletti?“ fragst. Die Reaktion des Touristen wird sein, dass er dir ein neues Auto kauft. Aber Achtung! Diese Aktion ist eine Falle, die unter Tourist*innen sehr beliebt ist. Du darfst dieses Auto nicht entgegennehmen, sondern ihm so laut wie du kannst „TONI KROS“ ins Gesicht schreien. Dies wird ihn sehr begeistern und noch dazu wird er dir sein Deutschlandtrikot überreichen, wobei sichtbar wird, wie fett und schwabbelig sein Bauch in Wirklichkeit ist. Das Trikot musst du dir in unter sieben Sekunden überziehen, da er sonst Interesse verliert und anfängt, mit einer Statue Tango zu tanzen. Also schnell überziehen und ihm danach anbieten, seine Euros gegen deine Pesos zu tauschen. Dabei ist wichtig, dass du ihm klar machst, dass deine Pesos in ganz Amerika die beste Qualität haben, denn dann wird er seine Socken ausziehen und sich auf seinem Bauch hin und her drehen wie eine Diskokugel. Auch wichtig ist, dass du das Risiko eingehst, arm zu werden, indem du für ihn extra mit einem 1:160 Kurs wechselst und nicht mit einem 1:150 Kurs.
Dies wird ihn so freuen, dass er eine Tube Sprühsahne aus einer seiner sechs Kuba-Bauchtaschen herausholt und sie auf dem Straßenboden verteilt und dann aufleckt. Dabei wird durch Fotosynthese so viel CO2 eingesogen und durch Sabber ausgestoßen, dass die Durchschnittstemperatur der Erde um vier Grad Celsius sinkt.
Nachdem die Geldübergabe, die du lieber in einer Seitengasse machen solltest, da die Polizei sowas gar nicht lustig findet, erfolgreich war, musst du dem Touristen dafür danken, dass er dir vertraut hat. Er wird darauf mit einem „GrAsiAs“ antworten, da er ebenfalls seine Dankbarkeit ausdrücken will. Es reicht, wenn du diese Dankbarkeit mit einem Lächeln erwiderst und dann so schnell wie möglich wegrennst, um ihn denken zu lassen, dass du für ihn eine lebenslange Haftstrafe in Kauf genommen hast.
Der Tourist wird dieses Gespräch am Abend in sein Tagebuch schreiben und in seiner 4-Sterne-Google-Rezension über Havanna benutzen. Der eine Stern Abzug ist dafür, dass er einmal in einem Restaurant in Havanna anstatt eines 3 Kilo Rindersteaks, nur ein 2,953274235ß04634459 Kilo Steak bekommen hat. Er wird nach dem Gespräch mit dir auf die Straße ziehen, um Zigarren zu erwerben, die angeblich „Original“ und „handgerollt“ sind. Nein. Sind sie nicht. Doch das ist egal. Denn nachdem Manfred diese Fähigkeit erlernt hatte, dachte er, er wäre bereit für die große weite Welt. Also verabschiedete er sich von seinem Vater und flog aus seinem Lieblingsfenster nach draußen.
In den nächsten zwei Jahren machte er sein Geld mit Zigarren, Geldwechseln und Souvenirs. Er machte damit genug Geld, um über die Runden zu kommen, aber viel war es nicht. Er entschloss sich dazu, ein riesiges Risiko einzugehen, um sein Leben komplett zu verändern. Manfred beschloss also eine Rum Firma zu eröffnen, welche er unter dem Namen „Habana Club“ anmeldete. Um Geld für den Anfang zu haben, beantragte er auf dem Schwarzmarkt einen Kredit, der gerade so reichte. Manfred setzte sich mit einem der fünf Rummeister auf Kuba zusammen, um mehr über die Produktion zu lernen. Der Rummeister erklärte ihm, dass der Rum mithilfe von Zuckerrohr hergestellt werde und fünf Jahre lang in einem alten Fass gelagert werden müsse. Manfred kam das alles sehr kompliziert vor doch er gab nicht auf. Er kaufte ein wenig gelagerten Rum und probierte ihn ein bisschen geschmackvoller zu machen. Anfangs schmeckte der Rum gar nicht, doch mit den richtigen Zutaten gelang es Manfred irgendwann dem Rum sein eigenes Aroma hinzuzufügen. Er war sehr stolz auf sein Endprodukt und legte direkt damit los, Werbung für seinen ersten Rum zu machen. Am Tag des Verkaufs zahlte sich das aus, denn als er am Verkaufstag durch das Tor zu seinem Hof schaute, traute Manfred seinen Augen nicht. Hinter dem Tor stand eine riesige Menschenmenge, die aufgeregt durcheinanderredete. Man verstand zwar nicht viel, aber es war nicht schwer, das Wort Rum rauszuhören. Manfred fügte noch die letzten Dekorationen zum Verkaufshof hinzu und öffnete dann das Tor. Die Menschenmasse stürmte hinein und es bildete sich eine unendlich lange Schlange vor dem Tisch an dem der überforderte Manfred saß. Irgendwie gelang es ihm jedoch die Kontrolle über die Situation zu behalten. Seine Flaschen Rum gingen weg wie warme Brötchen. Manfred hatte eigentlich eine große Ansammlung an Rum angeschafft, aber mit so vielen Kund*innen hatte er wirklich nicht gerechnet. Sein Lager wurde immer leerer und leerer und seine Kasse wurde immer voller und voller. Nachdem der letzte Kunde bedient war, schloss er das Tor und legte sich erstmal hin.
Er träumte davon, dass er in Rum ertrinken würde und wachte folgend in einem Schweißbad wieder auf. Dann nahm er eine kalte Dusche und machte sich an die nächste Arbeit: Geld zählen. Es dauerte Stunden bis er das ganze eingenommene Bargeld gesammelt, sortiert und gezählt hatte. Doch es lohnte sich, denn am Ende standen seine Einnahmen fest: 274.000 Dollar. Es war wie in einem Traum. Manfred konnte nicht fassen, dass sein Plan tatsächlich aufgegangen war. Doch ihm war klar, dass diese Arbeit nichts war, was er sich in der Zukunft vorstellen könnte, da sie so viel Anstrengung kostete. Manfred ging also auf den Schwarzmarkt und bezahlte erstmal seinen Kredit zurück. Danach bot er seine Firma schweren Herzens zum Verkauf an. Am Ende verkaufte er sie für 212 Mio. Dollar. Er war wirklich froh, diese Last los zu sein und jetzt finanziell frei zu sein. Er nahm sich vor, Kuba zu verlassen, da er mit seinem Geld dort nicht so weit kam. Sein Ziel war Deutschland, das Land der Kartoffeln. Manfred suchte im Internet nach Schiffen, die nach Deutschland gingen. Doch fündig wurde er dabei nicht. Er war kurz davor aufzugeben, als er auf ein Projekt stieß, welches sich aus über 40 Schüler*innen zusammensetzte, die um die halbe Welt segelten. Er war sehr beeindruckt von dem Projekt und dachte sich, dass dies die perfekte Gelegenheit war, um seinem alten Leben zu entfliehen. Er packte seine sieben Sachen und nahm ein Taxi zum Hafen von Cienfuegos, wo das Schiff vor Anker lag. Im Morgenlicht sah der Dreimaster einfach umwerfend aus. Bevor Manfred das Schiff entern konnte, musste er noch das Taxi bezahlen. Er handelte den Preis von 12.900 Pesos auf 20 Pesos runter. Dann ließ Manfred seine Flügel schwingen. Anstatt direkt an Bord zu landen, drehte er lieber noch seine Extrarunde um die schwarz lackierte Wampe aus den Niederlanden. Als Manfred am vorderen Ende vorbeiflog, sah er in goldenen Lettern „Gulden Leeuw“ an die Bordwand geschrieben. Ihm sprach der Name auf jeden Fall zu. Da fliegen auf Dauer anstrengend war, landete er erstmal auf dem ersten Mast. Dort hatte er einen tollen Blick auf den Hafen von Cienfuegos. Er genoss die Aussicht eine Weile. Doch plötzlich passierte etwas Unerwartetes. Manfred sah Jugendliche auf das obere Deck des Schiffes rennen. Sie schrien etwas durcheinander und ordneten sich dann in zwei Reihen an. Dann begannen sie, an einem Tampen zu ziehen. Manfred erschrak und kackte dem First Mate auf den Kopf. Dann flog Manfred vom Mast runter und landete auf dem hintersten Punkt des Schiffes, um endlich seine Ruhe zu haben. Vor Erschöpfung nach der ganzen Aufregung wurde ihm ganz mulmig und er musste sich erstmal hinlegen. Als er wieder aufwachte, wurde er von drei fetten Jungs betrachtet, die ihm Wasser ins Gesicht schütten wollten. Dies ließ sich Manfred aber nicht gefallen und kackte ihnen ebenfalls auf den Kopf. Die Teenager waren so schnell weg wie ein Hase, wenn er einen Ast knacken hört. Dann schlief Manfred erneut ein. Als er abermals aufwachte lagen vor ihm ekelhaft aber liebevoll angerichtete Brotkrümel in einer Wasserlache. Er war so durstig, dass er aus diesem Wasser trinken musste. Während des Trinkens bekam er mindestens ein Dutzend Kotzreize, doch das war ihm egal. Manfred trank und trank und trank. Dann entleerte er kurz seinen Magen und legte sich auf ein rundes Glasfenster auf einem der Seitengänge und schlief ein.
Die folgenden Wochen erlebte er viele Abenteuer in den verschiedensten Ländern, kämpfte gegen Piraten und so weiter. Leider wurde er seekrank und entschied sich über Bord zu springen, da er keinen anderen Ausweg mehr sah. Als sich die Nachricht auf dem Schiff verbreitete, kam Angst über das Schiff. Angst gemischt mit tiefer Trauer. Sein Name wurde in die Kabinenkammer graviert, um ihn für immer in Ehre zu halten.
R.I.P Manfred Boris.
Und wenn er nicht gestorben wäre, dann würde er noch heute leben
Ben
Foto von Taube Manfred © Florentin