Rückblick: 10. Januar 2022 The pink flamingo evening
Nachtrag zum 10. Januar 2022
Position: 12°03.314'N; 73°03.120'W
Wetter: Sonnig, fast wolkenlos und wenig Wind
Kurs: WNW 285°
Gesetzte Segel: Top Gallant, Upper Topsail, Lower Topsail, Flying Jib, Mainsail und Mainstaysail
Stimmung an Bord: Entspannt, vorfreudig, alle bisschen müde
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Ein Abend aus der Sicht
eines pinken Flamingo-Schwimmrings
Ich liege im Dorm in meinem Bett. In den letzten Tagen bin ich ein paarmal umgezogen, zwischen Gepäckablagen und Betten hin und her und habe die meiste Zeit damit verbracht, zu schlafen. Nur ab und zu wurde ich von ein paar durchgeknallten Dormbesuchern anprobiert und ein bisschen spazieren getragen und das hielt ich dann für ein wahres Erlebnis. Aber die richtig großen Ereignisse würden erst noch kommen. Am Abend des 8. Januars 2022.
Ich liege also auf dem Bett im Dorm, fühle mich ein bisschen platt (nach der letzten Spazierrunde wurde mir die Luft abgelassen) und bin ehrlich gesagt auch ein bisschen frustriert, dass meine wundervolle rosa Farbe hier im Dunkeln kaum zur Geltung kommt. Doch bald schon sollte sich das ändern.
Am frühen Abend, gegen neun Uhr abends, werde ich aus meinem Halbschlaf gerissen. Eine Hand greift nach mir und zieht mich aus der Koje. Zwei Personen stehen im Gang und scheinen sich für ein eigenartiges Event in Schale zu werfen: Eine von ihnen ist dabei, sich ein graues Bettlaken in ihre Jogginghose zu stopfen, hat Kabelbinder in den Haaren und eine Krawatte aus Unterhosen um den Hals, die andere trägt ein braun-lilanes Hemd mit bunten Stickereien und hat sich ein nicht weiter identifizierbares schwarzes Stoffstück um den Kopf gebunden. Letzterer der beschriebenen Personen gehört die Hand. Die Person bläst mich auf und zwängt sich mit dem Kopf zuerst durch das Loch in meiner Mitte, sodass ich wie ein Gürtel um ihren Bauch hänge. Und als sich die zwei Personen nach einigen weiteren Handgriffen auf dem Weg aus dem Dorm machen, beschleicht mich der Verdacht, ebenfalls zu einem Teil ihres aberwitzigen Outfits geworden zu sein …
Oben in der Messe sitzen Menschen an Tischen, es wird geredet, und auf dem Vordeck laufen die Vorbereitungen für … ein eigenartiges Event, wie vermutet. Dorthin führt der Weg meiner Trägerin. Ein Beamer wird vorbereitet, Blätter mit Zahlen darauf aufgehängt, eine Leinwand installiert und auf dem Boden sind bereits Markierungen zu sehen, die das Deck in vier Felder unterteilen. „1, 2 oder 4“ heißt das Ereignis des Abends, wie ich den Gesprächen entnehme, es handelt sich um eine eigentümliche Art von Quiz.
Ganz schön viel Aufregung für einen einzelnen Abend, denke ich bei mir. Aber das war noch nichts im Vergleich zu dem, was noch kommen sollte.
Die Zuschauer für das Abendprogramm versammeln sich auf dem Vordeck, gespannt auf den Start der Show. Die Galley ist fertig mit Putzen, das Publikum anwesend, die beiden Moderatorinnen (allem Anschein nach die albern verkleideten Personen) scheinen halbwegs bereit.
In diesem Moment kommt jemand von der Bridge mit einer Anweisung vom Captain: Vordeck leeren, alle in die Messe und Türen zu. Na wundervoll. Es ist die Rede von einem Squall (einer plötzlichen Böe mit Wind und Regen), in den wir uns hineinbewegen würden. Alle stehen also auf und ziehen um in die stickige Messe, wo sich das Publikum erst einmal verteilt. Die Organisatorinnen der Show lassen sich davon jedoch nicht entmutigen und beginnen, sich an die veränderten Umstände anzupassen, wodurch sich meine Wenigkeit im vorderen Bereich der Messe in der Nähe des umgezogenen Beamers aufhält. Währenddessen nehmen Seegang und Schräglage zu, die Menschen um mich herum (sowie die Person in meinem Zentrum) hüpfen durch die Gegend beim verzweifelten Versuch, Dinge am Runterrutschen von Tischen zu hindern. Draußen hat der Wind extrem zugenommen und es gießt aus Kübeln, jeder Person, die von draußen kommt, ist das deutlich an ihrer durchweichten Kleidung anzusehen. Ein Bote von der Brücke berichtet von der aktuellen Geschwindigkeit: 13 Knoten, der absolute Temporekord der bisherigen Reise.
Als wäre das alles nicht genug, macht auf einmal das Gerücht die Runde, ins Schiff würde es reinregnen. Ich persönlich habe nachvollziehbarerweise kein allzu großes Problem mit Wasser in meinem direkten Umfeld. Die Menschen aber offenbar schon. Denn wenig später finde ich mich im hinteren Bereich des Schiffes bei den Toiletten wieder, wo meine Trägerin einen Lappen gegen die Decke drückt. Andere Personen stehen da, mit gen Himmel gerichteten Trinkkannen, um den Rinnsalen von oben den Weg abzuschneiden, aber ich frage mich trotzdem, ob vielleicht wenigstens für ein kleines Ründchen Schwimmen genug Wasser ins Boot laufen würde …
Allerdings wird schon nach einigen Minuten entdeckt, dass nur die nicht richtig geschlossenen Fenster über der Captain’s Lounge der Grund für den Wassereintritt sind. Aus meinen Hoffnungen wird also nichts.
Kurz darauf sammeln sich erneut alle Menschen auf dem Vordeck, diesmal, um das noch gesetzte Course wegzunehmen. Alle gemeinsam ziehen sie an den Seilen und rufen ihr „Two-Six-Heave!“, bis das Segel oben ist. Nach den Erlebnissen der vergangenen Stunden kann man den Teamgeist bei dieser Aktion deutlich spüren – und ich bin mittendrin!
Der Regen hat aufgehört und auch der Wind ist nicht mehr so stark, wie er war. Die meisten der Schiffsbewohner machen sich wieder auf den Weg ins Innere ihres Heimes und ich werde noch einmal im vorderen Teil der Messe platziert, wo mein seltsam verkleideter Mensch mit dem zweiten seltsam verkleideten Mensch Jette über den weiteren Verlauf des Abends beratschlagt. Heute kein Quiz mehr, ist das Ergebnis. Der Abend ist schon spät, die Bevölkerung des Schiffes nach den letzten Ereignissen vielleicht auch ein bisschen müde und ein anderer Zeitpunkt scheint besser zu passen.
Für mich endet dieser ereignisreiche Tag wieder im Dorm, wo ich (nicht ohne einige Strapazen und die Zuhilfenahme einer anderen Person) ausgezogen und in ein anderes Bett gebracht werde. Und ich habe gut geschlafen, das kann ich euch sagen!
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Ganz liebe Grüße an alle Menschen zuhause, vor allem an Mama, Tom, Papa, Lore, Fine, Oma, Opa, Oma, Angelika, Wolfgang, Nate, Manfred und alle anderen!
Danke an Caro, dass sie mir ihren Flamingo ausgeliehen hat.
Annika
(Und ja, ich bin tatsächlich den kompletten Abend lang mit dem rosa Schwimmring durch die Gegend gelaufen…)
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- PS von Natalia: Kochani dziadkowie, brak mi was i mocno was ´sciskam
- PS von Abbie: Ich grüsse meine Mutti, Papa, Iphi und Arthur (and the cats!)
- PS von Maxi: Ich grüße meine Mama, Papa, Mathis, Michel, Jan und Luis. Habe gerade Nachtwache, es ist 01:50 Uhr Nachts und ich backe Brot.
- PS von Shanti: Liebe Grüße an Mama, Papa, Oma, Opa, Gitti, Siggi, Fiona, Gregor, Paula und Sarah; und natürlich auch an alle anderen :) Hab euch lieb und Mama kuschle Bobby bitte ganz doll
- PS von Karina: Grüße an meine ganze Familie und Leckerlies an Hanni und Inchi.