Nachtrag: 16. März 2021 (M)ein Tag an Bord
Datum: 16.03.2022
Position: 28°16.374‘N 77°45.295‘W
Kurs: 139°
Zurückgelegte sm: 9690,68
Wetter: Gewitter, 18°C, Wind: 4bft
Gesetzte Segel: inner jib, main staysail
Geschwindigkeit: 7,2 Knoten
Ein Tag in meinem Leben an Bord
Liebe Blogleser:innen,
da ich vor einigen Tagen die ehrenvolle Aufgabe hatte, den Blog zu verfassen, habe ich mich dazu entschieden, Ihnen und Euch von meinem heutigen Tag zu berichten. Vorher beschreibe ich noch die Stimmung an Bord: eigentlich sind alle zufrieden und voller Vorfreude oder Gleichgültigkeit auf die morgige Geschichtsklausur.
01:00 Uhr: Nach der 20:00–24:00 Uhr Wache bleibe ich immer gerne noch mit meiner Wache in der Studentmess, um noch über die heutigen Ereignisse und die Wache zu reden. Danach entscheidet sich dann eine vernünftige Person ins Bett zu gehen und überzeugt die anderen, es ihr gleich zu tun. Spätestens wenn die 00:00–04:00 Uhr Wache die Messe sauber macht, werden alle Übermüdeten ins Bett geschickt.
07:30 Uhr: Caspar (einer der Weckspezialisten an Bord) weckt mich sehr freundlich. 15 min kann man sich ja noch gönnen und sich dann am Frühstücksbuffet ein Brot und Müsli mit nach draußen nehmen. Morgens im Sonnenaufgang zu frühstücken, ist ein wundervoller Start in den Tag.
08:00 Uhr: Unser Management meeting in der Brücke (am Management meeting nehmen Repräsentant:innen aller drei „Gruppen“ an Bord teil: Kira, Milena, Maxi und ich als Schüler:innenvertreter:innen, Jan und Lusinja als Lehrer:innenvertreter:innen und Captain Jeroen und First Officer Anousch als Crewvertretung). Themen sind Anliegen oder Beschlüsse der Schüler:innen, Stimmung an Bord, Probleme jeglicher Art, Planung der nächsten Tage und Entscheidungen, die getroffen werden müssen. Hauptthema heute war der Wunsch der Schüler:innen, an dem diesjährigen weltweiten Streiktag der „Fridays For Future“ teilzunehmen und eventuell in Bermuda ein Zeichen zu setzen. (Die Motivation unserer Seite ist sehr hoch)
08:45 Uhr: Jans Matheunterricht fängt an und wir machen weiter mit unserem Thema den Ganzrationalen Funktionen. Einige Schüler:innen sind leider krank, weil wieder Magen-Darm umgeht. Nach der Stunde renne ich noch schnell unter die Dusche um vor der nächsten Doppelstunde zu duschen.
10:30 Uhr: Unser Spanischunterricht bei Lusinja begann und ich habe es gerade noch so geschafft mit feuchten Haaren an meinem Platz zu sitzen. Wir haben heute unsere Noten für unsere Klausurersatzleistungen (Video, in dem wir unser Leben und unsere Gastfamilie in Longo Mai vorstellen) bekommen. Danach werden an die Anfänger:innen ein paar Arbeitsblätter ausgeteilt, die auf die nächste Klausur vorbereiten sollen. Die Fortgeschrittenen sollten heute ihre Klausurersatzleistungen präsentieren (Vorträge zu verschieden Themen aus Lateinamerika). Da ich zwar Spanisch nicht so gut sprechen aber ganz okay verstehen kann, entscheide ich mich dazu, den Vorträgen zuzuhören.
Als erstes halten Jona und Eva ihren Vortrag „Restricción del internet en Cuba“ (auf deutsch: Beschränkung des Internets in Kuba). Er handelte vor allem von der sehr geringen Verfügbarkeit von Internet auf Kuba und der Meinung der jungen Bevölkerung, die größtenteils eigentlich keinen zensierten Zugang möchte. Außerdem blockieren die USA über Konzerne wie Google, Apple und Microsoft weite Teile des Appstores für Kuba.
Danach berichteten Milena und Adam von den Wasserkriegen in Bolivien, die aus der Übernahme der Wasserversorgung von staatlichen zu teuren privaten Unternehmen resultierten. Im Zuge dessen empfahl Lusinja das Buch „42 Grad“ von Wolf Harlander, welches ich auch gerade lese und Lusinja da nur zustimmen kann. Es beschreibt ein Szenario, in dem der Klimawandel weiter fortgeschritten ist und überall in Europa Wasser extrem knapp wird.
12:15 Uhr: Die Galley hat heute Bruschetta gemacht. Überbackene Brötchen sind mittags irgendwie der Dauerrenner. Um 13:00 Uhr ist dann wie jeden Tag Studentmeeting. Es ging heute um das lost and found (Fundgrube), cleaning, laundry und die kaputte steering pump in der laundry. Sie hat ein Leck, das bei heeling zu Steuerbord ausläuft und nur in der Werft repariert werden kann.
13:45 Uhr: Wir haben Bartosz‘ (Bosun = Bootsmann) ‚Geburtstag‘ gefeiert, wobei keiner so genau weiß, wann er wirklich Geburtstag hat, weil er jeden Monat Geburtstag hat, aber der Kuchen war lecker! Nach dem Snack habe ich dann die freie Zeit genutzt, um Schach mit Ulf, Pablo und Kacper zu spielen. Mit Kacper haben Pablo und ich dann noch über die polnisch-deutsche Beziehung geredet. Konflikte zwischen beiden „Ethnien“ liegen schon über tausend Jahre zurück, doch wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es keine wirkliche Grenze zwischen uns gibt und dass wir alle Brüder wären. Kacper hat dann noch hinzugefügt, dass er große Hoffnung in unsere Generation hat, die den Weltfrieden bringen soll und so geschlossen steht wie keine zuvor. Anschließend habe ich den ersten Teil dieses Blogbeitrags geschrieben.
17:00 Uhr: Seamanship für den B Teil. Wir sollten das Coursesail wegnehmen und dann sollte die eine Hälfte das Segel packen und die andere, zu der ich gehörte, alle Segel neu trimmen und dann verschiedene Jobs machen. Johanne und ich haben alle Feuerlöscher an Bord auf Schäden und Einsatzbereitschaft getestet.
18:15 Uhr: Zum Abendessen gab es Bohnen, Couscous und Lachs oder Falafel. Beim Essen habe ich mit Jona, Doro und Maxi über unsere Fridays for Future Aktion und das Leben geredet. Plötzlich musste dann um 19:20 Uhr das Topgallant weggenommen werden, weil am Horizont ein Sturm und Blitze aufgezogen sind. Als ich wieder in der Messe saß, habe ich diesen Blog weitergeschrieben und dabei Sea Shanties gehört.
20:00 Uhr: Unsere Wache (weiß B) begann und wir fingen erstmal mit unserer Cleaningaufgabe an. Während die Afttoiletts saubergemacht wurden, war ich am Ruder und beobachtete die vielen Blitze am Horizont. Nach einer Stunde wurde ich von Fede abgelöst und in die Badezimmer im Bug geschickt, um sie zu putzen. Irgendwie ist unsere Unterhaltung während des Putzens zu unseren Lebenszielen nach High Seas High School abgedriftet. Luis meinte er würde vor der Schule viel Sport machen und joggen gehen. Lisa wollte häufiger draußen sein und ich will meinen Internetkonsum stark minimieren. Außerdem waren wir alle der Meinung, dass es in Deutschland endlich ein einheitliches Schulsystem geben soll, weil es im Moment sehr ungerecht und einfach unnötig kompliziert ist. Nachdem endlich die Badezimmer sauber waren, haben wir drei Segel weggenommen. Zuerst die beiden übrigen Topsails und dann noch das Outer Jib, wobei es nicht ordentlich ins Klüvernetz fiel, sondern halb im Wasser lag und dann von Jona, Freddy und mir hochgezogen und auf dem Klüverbaum festgebunden werden musste. Als der Sturm auf fünf Meilen herangekommen war, kam der Befehl alle Türen und Fenster zu schließen und alle Personen an Deck anzuweisen, reinzugehen. (Genau dieses Szenario musste ich in einer Probearbeit an meiner Heimatschule beschreiben. Die Arbeit hieß „Vorgangsbeschreibung: Was machen Schüler des Segelnden Klassenzimmers bei Sturm?“. Grüße gehen raus an Frau Plate).
Wartend in der stickigen Brücke mit sieben Leuten erzählte der Captain vom „Darwin Award“ (Comedypreis für dümmste Sterilisationen und Tode von Menschen, die unbeabsichtigt ihre Gene aus dem Genpool der Menschheit genommen haben) erzählt. Also riefen wir den Wikipedia Artikel (wir haben die komplette Wikipedia Website von 2018 heruntergeladen (80GB)) des Darwin Awards auf und hatten viel Spaß, während das Gewitter immer näher kam. Später haben Talya (Deckhand) und ich noch das Mainstaysail mittschiffs positioniert, um das Schiff im Wind besser zu stabilisieren. Die nächste Wache (Blau A) kam sogar halbwegs früh zum Wachwechsel und mein Tag endete pünktlich um 00:14 Uhr.
Jetzt sitze ich noch in der Messe und schreibe diesen Blog zu Ende.
Euer Davide
Grüße:
- Alle von Bord grüßen Annalena und würden Dich gerne bald wieder hier haben!
- Davide: Ich grüße Anna, Julia, Mama und Papa und hoffe, dass es Euch gut geht!
- Kira: Noch einmal dicke Grüße an Dich, Annalena! Ich lag heute in deinem Bett … ich denke du weißt, warum :)
- Annika grüßt Wolfgang und vor allem Angelika und Kuba war schön und auch noch ganz liebe Grüße an Annalena.
- Salo grüßt mal wieder den Tennissuchti.
- Lusinja wünscht ihrer Mama alles Gute zum Geburtstag! Feliz Cumpleaños!