3. Mai 2022 Achtung Ordnungsamt!
Datum: 3. Mai 2022
Position: 53°36.843'N, 9°32.958'O
Zurückgelegte sm: 15473.88
Wind: 2
Wetter: leicht bewölkt, ziemlich frisch
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Achtung Ordnungsamt!
Servus da draußen und liebe Grüße von ähm richtig, Deutschland! Gerade ist es Mittag, gleich gehen wir mit Peggy draußen »Avocadokern-Golfen«. Wir befinden uns auf der Elbe und sahen vor ein paar Minuten das erste Mal deutsches Festland. Das schockte uns alle sehr und rief gemischte Gefühle hervor, wobei wir ja schon auf Helgoland ein erstes Mal mit der deutschen Kultur konfrontiert wurden.
Aber fange ich erstmal von vorne an. Als wir nach zwei Wochen Atlantik so vor dieser kleinen ruhigen Insel rumtrieben, ich gerade mit Davide, Abbie und Milena Segel packen war und zur Insel herüber spähte, bekam ich das Gefühl, am Arsch der Welt zu sein. Nachdem wir sieben Monate so weit weg von Zuhause waren, einsam auf dem Atlantik herumgeschippert sind oder uns mitten im Regenwald verliefen, hatte ich nie so ein Gefühl. Und dann befinden wir uns so nah an Zuhause und es ist so, als wären wir im Nirgendwo gelandet. Während man beim Einfahren nach Kuba durchs Fernglas linste und neunzigjährige Rentner*innen beim Tanzen und Kiffen sah, die einfach ihr Leben gelebt haben, als wären sie noch fünfzehn, entdeckte man mit Sicht auf Helgoland höchstens eine scheißende Möwe ... Wenn man Glück hatte.
Als wir dann in Helgoland anlegten, konnte man sofort erkennen: Wir sind in Deutschland! Von meinem Lebenstraum, endlich einmal Helgoland zu besichtigen, wurde ich definitiv nicht enttäuscht. In der Durchschnittsaltersgruppe Ü60 fühlten wir uns direkt wohl. Sofort knüpften wir Kontakte und enge Freundschaften. Johannes, zum Beispiel, kam sofort mit einem kontaktfreudigen Herrn ins Gespräch, der ihn mit dem Ordnungsamt willkommen heißen wollte. Er hatte soeben eine Ordnungswidrigkeit begangen, als er mit seinem Allerwertesten auf der Lehne einer Bank saß. Gerade nochmal Glück gehabt!
Doch Helgoland hatte noch mehr zu bieten: Heute morgen, als Luis, Freddy und ich einen Einkaufswagen zurück zum Supermarkt bringen wollten, sind wir einem perfekt ausgestatteten Jogger begegnet, dessen Navigerät laut ansagte, wo er abzubiegen hatte. Dies ist bei dem ganzen Verkehr und dem wilden Betrieb auf Helgoland sehr empfehlenswert. Sicherheit geht da vor...
PS. Bitte nehmt den Blog nicht persönlich. Es sind natürlich nicht alle Menschen in Deutschland so, wie in den Geschichten beschrieben. Mit diesem an vielen Stellen etwas ironisch geschriebenem Blog möchte ich niemanden angreifen. Ich wollte mit diesen lustigen Beispielen zeigen, wie fremd ich mich auf einmal in einem Land fühlte, in dem ich mein Leben lang lebe. In all den Ländern, die wir kennenlernen durften, hießen uns die Menschen direkt willkommen, sie tanzten mit uns, lachten, zeigten uns die coolsten Sachen oder brachten uns diese bei, teilten mit uns und kümmerten sich um uns. Menschen, die uns nicht kannten und die wir nicht kannten, behandelten uns wie Freund*innen oder Familie. Ich glaube, deshalb fühlte ich mich nie wirklich fremd, sondern viel wohler, als in den meisten Gegenden Zuhause. Es sind die Leute, die einem Liebe schenken, ohne dass man ihnen in irgendeiner Weise etwas Gutes getan hatte. Die Leute, denen es egal ist, wo du herkommst, wie du aussiehst oder wer du bist! Und dann sind wir plötzlich wieder in Deutschland, wo alles geregelt und strukturiert ist, zu strukturiert, jeder Tag genauso langweilig ist, wie der Tag zuvor und man nahezu von diesen ganzen Regeln und dem kompletten System zerquetscht wird, sodass man kaum noch Luft bekommt ... Man, wenn man einfach draußen tanzt und sein Leben genießt, meistens nur komische Blicke einfängt und wahrscheinlich gleich noch eine Anzeige für Ruhestörung bekommt. Man »Hallo« sagt und zu oft keine Antwort bekommt.
Irgendwann stand ich vor einem Schauhausregal in Helgoland, in dem lauter Zigarren und Rum aus Kuba standen und ich wünschte, mich wieder zurück nach Kuba beamen zu können, wie ich Monate zuvor auf dieselben Souvenirs guckte und überlegte, was ich für Zuhause kaufe.
Das Fernweh packt mich schon wieder, doch gleichzeitig freue ich mich, meine Familie und Freund*innen wieder zu sehen!
Lisa